"Kein einfaches Thema"

Ein Murgang bei Chamoson im Kanton Wallis Mitte August forderte zwei Opfer. Bis heute sind die Vermissten nicht gefunden. REDOG war mit den Leichenspürhunden vor Ort.

Dagmar Wurzbacher

 

Es dauerte nur zehn Minuten. Am Sonntagabend, dem 11. August 2019. Ein Unwetter entlud sich oberhalb der Gemeinde Chamoson. Der in dieser Stunde aus seinen Ferien zurückkehrende Gemeindepräsident, Claude Crittin, wird später im Gespräch mit “L’illustré“ sagen: «Aïe, c’est du sérieux!» („Autsch, es ist ernst“), als er in der Ferne den Wasservorhang sieht, der Richtung Zentralwallis zieht.

Er wird Recht behalten. Die Losentze verwandelte sich so schnell in einen reissenden Fluss, dass zwei Ausflüglerinnen, die gerade in ein Auto steigen wollen, weggespült werden. Sie überleben. Ihr Begleiter und ein sechsjähriges Mädchen, die Tochter einer der beiden Frauen, sitzen bereits im Auto. Sie werden von Wasser, Geröll und Holz mitgerissen. Eine grossangelegte Suchaktion beginnt.

Es ist wichtig, dass man da ist und sich für die Angehörigen einsetzt, dass man alles versucht und weiterhin hofft.

Linda Hornisberger, Bereichsleiterin Verschüttetensuche

Von Dienstag an war REDOG mit speziell ausgebildeten Suchhunden vor Ort, mit Leichenspürhunden. Die REDOG Leichenspürhunde werden dann eingesetzt, wenn keine Hoffnung mehr auf Überlebende besteht. Nach Gebäudeeinstürzen zum Beispiel oder Naturkatastrophen wie genau hier in Chamoson. In mehrjähriger Ausbildung lernen sie, die Witterung von verstorbenen Menschen unter Trümmern zu orten. „Werden Opfer geborgen, erhalten ihre Angehörigen und Freunde die Gewissheit, dass sie nicht lebend unter Trümmern begraben sind“, betont Linda Hornisberger, Bereichsleiterin Verschüttetensuche REDOG, die mit Nash im Einsatz stand.

 

Mit jeweils drei Hunden suchen die REDOG Teams systematisch das Bachbett und die Umgebung ab. Entlang des Ufers, bis hinauf in die Hänge. In dichtem Gestrüpp. Und dort, wo es möglich ist, auch im Wasser. Von unten nach oben, in der Hoffnung, Witterung aufzuspüren. „Was die Fluten mitgerissen haben, kann an Vorsprüngen, im Gebüsch oder in Nischen hängen bleiben. Wasser trägt Witterung über weite Strecken“, erklärt Linda Hornisberger.

Oder unter Schlamm und Geröll begraben. Überall türmt sich Schlamm auf, zum Teil noch flüssig, an andern Orten bereits getrocknet. Im unteren Teil, Richtung Rhone, meterhoch. Viele Stellen sind gefährlich, kein Durchkommen für Hund und Mensch. Anhand der Schlammrückstände, dem Holz und Geröll lassen sich die Wassermassen erahnen, die durch das schmale Tal gedonnert sind. Die Chance, jemanden zu finden?

„Es ist wichtig, dass man da ist und sich für die Angehörigen einsetzt, dass man alles versucht und weiterhin hofft, doch noch etwas zu finden. Sei es auch nur der kleinste Hinweis.“ Damit die Angehörigen Abschied nehmen können. Am ersten Tag zeigen die Hunde am verschiedenen Orten an. „Doch diese Chance sinkt von Tag zu Tag.“ Denn wenn der Schlamm einmal trocknet und damit begehbar wird, dringt kaum noch Geruch nach draussen. „Kein einfaches Thema, darüber zu reden“, sagt die Suchspezialistin.

Am Freitagabend wird die Suche mit den Hunden abgebrochen. Kleinste Teile des Autos, in dem die Vermissten sassen, werden in dieser Woche gefunden. Eine Brille, vielleicht die des Mädchens.

Mitte September sind die REDOG Leichenspürhunde nochmals im Einsatz. Auf Wunsch der Gemeinde wird gezielt an verschiedenen Stellen noch einmal gesucht. Mittlerweile wurden drei grössere Wrackteile des Autos gefunden, weiter unten, bereits in der Rhone. Von den Vermissten immer noch keine Spur.