Aus Liebe zum Hund, für Menschen in Not

Romaine Kuonen ist Zentralpräsidentin von REDOG. Beruflich unterstützt die Walliserin Menschen, die sich verändern wollen oder die sich in Krisen befinden. Zählte man rein die Stunden, welche Romaine Kuonen für ihren Beruf aufwendet, so wäre ihre Praxisarbeit das Hobby und REDOG die Erwerbsarbeit. Nur - all die Stunden, ja manchmal Wochen in denen die Präsidentin den Verein managt, sind freiwillig und ehrenamtlich. "So wie bei allen REDOG Mitgliedern", betont Romaine Kuonen im Interview. Tag und Nacht stehen Hunde, Frauen und Männer bereit, um Menschen in Not zu retten. Das ganze Jahr.

Interview: Dagmar Wurzbacher
Fotos: André Grossenbacher, Andrea Derungs

 

Sie sind Präsidentin von REDOG – sind Sie immer bereit, Romaine Kuonen?

Romaine Kuonen
Es gibt Nächte, da piepst mein Alarm immer wieder. Insbesondere bei Erdbeben über der Stärke 6,5. In der Bereichsleitung Verschüttetensuche analysieren wir dann die Situation und planen einen allfälligen Einsatz im betroffenen Land. Bei vermissten Menschen in der Schweiz werde ich jeweils über die Sucheinsätze von den REDOG Einsatzleiterinnen und Einsatzleitern zeitnah informiert. Als Zentralpräsidentin einer Rettungsorganisation ist man sehr nah am Geschehen, sobald es Ernsteinsätze gibt. Einsatzfähige REDOG-Mitglieder sind generell auf Pickett.

 

Was bedeutet Bereitschaft?

Romaine Kuonen
Schauen wir zum Beispiel nach Italien. Das Erdbeben im August 2017 zeigte, wie nah Katastrophen kommen können. Und wie schnell in einem solchen Fall alle verfügbaren Kräfte für die Rettung vor Ort sein müssen. Vom ersten Tag an waren in Italien die Suchhunde die Helden, da ohne Ortung weder gefunden noch gerettet werden kann. Eine sorgfältige Ausbildung der Suchteams – bestehend aus Hundeführerinnen, Hundeführer und ihrer Hunde – ist die Grundlage jedes erfolgreichen Einsatzes.

Wichtig ist auch die sofortige Alarmierung. Bereits innerhalb zweier bis vier Stunden können unsere Teams im Einsatz stehen. In einem Ernstfall arbeiten verschiedenste Organisationen, Armee, Bevölkerungs- und Zivilschutz und Milizorganisationen, Hand in Hand. Das gegenseitige Verständnis ermöglicht die Soforthilfe für die Bevölkerung. Dafür sind wir vorbereitet, dank vieler gemeinsamer Trainings.

 

Zum Einsatz ist im Ernstfall zugelassen, wer mindestens drei Jahre regelmässig trainiert und die anspruchsvollen Prüfungen besteht. Romaine Kuonen hat bereits ihren fünften Hund, Arco, einen Australian Cattle Dog, an der Seite. Auch Hunde kennen ein Pensionsalter und dürfen sich ab zehn Jahren von der anspruchsvollen Arbeit ausruhen.

Können solche Katastrophen auch die Schweiz treffen?

(Bemerkung: Dieses Interview wurde vor dem Bergsturz in Bondo im Sommer 2018 geführt. Damals starb eine Wandergruppe mit acht Mitgliedern in den Trümmern. REDOG war im Einsatz.)

Romaine Kuonen
Natürlich. Seit 1971 gab es immer wieder Katastrophen in der Schweiz. Wir erinnern uns an die Grosskatastrophen Gondo und Brig mit Toten und Vermissten. Im November 2014 Jahren begruben Schlammlawinen im Tessin mehrere Häuser unter sich. Es gab auch hier Todesopfer. Und erst anfangs 2017, im März, zerstörte ein massiver Felssturz im Calancatal die Strasse. Glücklicherweise gab es weder Verletzte noch Tote.

In allen Fällen unterstützten unsere Hundeteams und technischen Ortungsspezialisten die Suche. Tendenz ist, dass sich je länger je mehr Gelände bewegt. Wenn es innerhalb kurzer Zeit viel regnet, treten Flüsse und Bäche über die Ufer. In der Folge der Klimaveränderung und dem Rückgang der Gletscher wird sich das in naher Zukunft verschärfen und die Kantone vor grosse Herausforderungen stellen.

Luna ist ausgebildete Katastrophensuchhündin. Auch sie  gehört zur Familie von Romaine Kuonen. Die Spinonehündin absolviert zusätzlich die Ausbildung zum Leichensuchhund. Eine noch recht junge Sparte bei den Katastrophensuch-Teams von REDOG. Das Orten von verstorbenen Personen ist für Angehörige und Freunde der Opfer von grosser Bedeutung. Obschon es für alle schrecklich ist, wenn jemand nur noch tot geborgen werden kann, so bleibt wenigstens die Gewissheit, dass eine geliebte Person nicht unter den Trümmern verschüttet liegen bleibt und vergeblich auf Hilfe wartet.

Manchmal können Menschen nur noch tot geborgen werden. Wie gehen Sie damit um?

Romaine Kuonen
Insbesondere nach Naturkatastrophen und Erdbeben, ist man nicht mehr dieselbe Person wie vor dem Einsatz. Das ergeht allen, die in einer Katastrophe helfen, so. Hier helfen Gespräche mit Teamkollegen, nahestehenden Personen oder auf Wunsch mit einer Fachperson. Eine sehr gute Hilfe im Ernsteinsatz ist aber auch, sich um seinen Hund kümmern zu müssen. Das lenkt ab.

 

Wie erleben Sie die Angehörigen von Vermissten?

Romaine Kuonen
Die Verzweiflung, seine Familienmitglieder gar nicht mehr zu finden, ist für sie jahrelang traumatisierend. Ich erinnere mich an die Aussage eines Jugendlichen, dessen Vater wir tot gefunden haben. „Das Grauen und der Schrecken hat sich in Trauer verwandelt. Die Gewissheit ist zwar hart und schlimm, aber wir haben unseren Vater wieder und können Abschied nehmen.“ Diese Tatsache, Familien und vermissten Menschen in Not zu helfen, ist meine Motivation so viel Kraft in diese so wichtige Arbeit zu stecken.

Je früher REDOG alarmiert wird und je schneller die Suchteams vor Ort zum Einsatz kommen, desto grösser ist die Chance auf einen glücklichen Ausgang.

Zur Erinnerung: Auch Privatpersonen können REDOG alarmieren, wenn sie einen Menschen vermissen. Die Suche ist für die Angehörigen kostenlos.

Das Interview erschien in der Dezemberausgabe 2016 von "Humanité", dem Gönnermagazin des Schweizerischen Roten Kreuzes. REDOG ist eine der Rettungsorganisationen des Schweizerischen Roten Kreuzes.

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